Hauruck – auf nach Bishkek!
Reise vom 26. September bis 4. Oktober 2015
Patrik hat von unterwegs seine Bestellung für die Ersatzteile für eine Generalüberholung von Passpartout per SMS aufgegeben.
Nachfragen war obligatorisch, um auch wirklich das Richtige nach Kathmandu zu senden. Also Zeit bis ca. Ende Oktober! So war’s geplant.
Somit am Donnerstag 24. September die Ersatzteile bei VeloPlus in Winterthur besorgen; da ist Patrik nämlich in der Berner Filiale Kunde. Der Laden in Winterthur hatte alles vorrätig, wenn auch teilweise nur gerade in der geforderten Anzahl!
Die Beratung und Bedienung war ausgezeichnet; da sind Profis am Werk, die auch schon zig-Monate auf verschiedenen Kontinenten im Sattel gesessen sind.
Aber als ich gelesen hatte, dass der Betreiber des Guesthouses in Bishkek etwas von Velo-Mechanik versteht, habe ich mir ausgerechnet, dass hier die beiden linken Hände von Sohnemann am richtigen Ort seien. Wie aber die Ersatzteile so kurzfristig in dieses fremde, zentralasiatische Kirgistan hinzubekommen? Zu welchen Kosten?
Nun, dann macht Bühler Senior, eben wie schon früher, eine Hauruck-Übung: bestellt donnerstagnachts das Flugticket Zürich – Istanbul – Bishkek und in der Nacht auf Samstag vor dem Abflug noch das Hotelzimmer.
Ja, wer zu spät schaut, hat zu nehmen was noch angeboten wird! Der Flug zurück nach Istanbul zusammen mit Patrik im gleichen Flieger klappte schon mal nicht, da der Flieger bereits ausgebucht war.
Das Hotel ONYX dann aber, war ein Hingucker. Mangels anderer Zimmer musste ich eine Juniorsuite nehmen; ja „im Alter“ mag man sich ja etwas gönnen!
Aber welch ein Wiederspruch zur Bleibe von Sohnemann, die war direkt ärmlich!
Am Samstag 26. September vor der Abreise ging es richtig los mit SMS-Nachrichten. In Bishkek machte die Runde, dass ein Europäer mit Ersatzteilen komme…. So hatte noch dieser und jener einen Wunsch; abgebrochene Sattelstange, Speichen, Spiegel. Ja es wurde sogar mit Velo-Lienhard in Embrach telefoniert, ob allenfalls die Teile vorrätig und abgeholt werden könnten. Nun, das war ja klar! „Lieni“ hat aus seinem Vorrat alles hervorgeklaubt und bereit gelegt zur Abholung.
Überrascht hat mich Patrik’s Schwester Gaby! Toblerone und Gummibärchen gleich Kiloweise! Umpacken war angesagt, sonst wäre das Gesamtgewicht überschritten worden! Aber Freude herrschte dann in Patrik’s Camp vor Ort! Wie die Räuber…..
Der Flug von Samstagabend in die Nacht mit Ankunft in Bishkek am Sonntag-Vormittag verlief ganz gut. Etwas gewöhnungsbedürftig sind die Sicherheitskontrollen bei der Zwischenlandung in Istanbul.
Sonntag, 29. September gegen 11.00 Uhr sauber gelandet. Wie bringe ich meinen Koffer mit den Ersatzteilen durch den Zoll? Die Einheimischen vom anderen Flug müssen ihre Koffer durch einen Scanner lassen. Au weh, mein grosser Koffer mit den Ersatzteilen! Da postierte sich noch ein kräftiger Zollbeamter in seiner ganzen Grösse zwischen die beiden Durchgänge, dem roten und den grünen. Schau mal an!
Die Einheimischen wurden durch den roten dirigiert, die Fremden Touristen freundlich durch den grünen gewinkt. Hei, das ging aber ganz flott!! Wenn Du wüsstest!!
Patrik wartete voller Vorfreude auf das Erscheinen seines Pa’s vor dem Zollausgang. Freudiges Wiedersehen! Er holte mich mit einem „Taxi“ am Flughafen ab, ein Privater, der sich als Taxi mit seinem Fahrzeug angeboten hat. Das erlebten wir in dieser Millionenstadt am laufenden Band. Der Preis wird ausgehandelt. Patrik kann das wirklich gut, muss er doch sein Budget so gut als möglich strecken.
Die Fahrt in die Stadt gab einen realen Eindruck was die Kirgiesen unter Autofahren verstehen. Die Hupe und das Gaspedal sind nebst dem Steuerrad das Wichtigste.
Selbst bei Höchstgeschwindigkeit werden bei doppelt entgegenkommenden Verkehr auf der eigenen Seite noch die im Wege fahrenden Autos überholt! Es wird gehupt auf Teufel komm raus und irgendwie gibt es Platz! Wumm, Gegenfahrer sind vorbei und rechts ist auch überholt! Formel-1 ist harmloses im Kreis herumfahren!
Hotelbezug und Staunen von Patrik über den „Luxus“ von Vater’s Bleibe.
Dann zu Fuss weiter mit den Ersatzteilen ins ca. 1 Km entfernte Guesthous von Patrik.
Ja, welch bescheidene „Bude“ wo die Radler hausten. Im Garten hat jede Partie ihr eigenes Zelt auf dem Erdboden aufgebaut; eine Gemeinschaftsküche für Hausbesitzer, Hausbewohner und Camper; ein Gemeinschaftsbad für alle Anwesenden mit 24-Stunden Warmwasser zum Duschen und einem Sitz-Klo (welch ein Luxus!!); einem Freiluftaufenthaltsraum mit Überdachung und dauerndem Durchzug; einem Tisch mit Stühlen und Schemel (nicht genügend wenn alle anwesend sind); einer Steckerleiste, die während 24 Stunden immer „überbesetzt“ ist. Junge Leute mit dem Chip im Hintern sind ganztags hinter dem I-Phon oder dem mitgeführten Notebook. Jeder lernt wieder vom andern etwas Neues. Das ist Home-Live im wahrsten Sinne des Wortes; aber alle sind glücklich!
Welch eine Begrüssung bei der Ankunft durch die jungen Radler und grosse Freude über die richtigen Teile, die sofort verwendet werden.
Einer davon hätte ca. 4-5 Wochen Laufzeit rechnen müssen oder für eine Lieferung per Express innert 4-5 Tagen über 750 EUROS bezahlen müssen. Mein Flug kostete weniger! Derselbe Radler wartete für eine andere normale Postsendung bereits schon mehr als 10 Tage. Andere Länder andere Sitten!
Am Montag 28. September war „Mechen“ angesagt. Passepartout demontieren, spitz gewordene Zahnkränze vorne und hinten demontieren und neue wieder einbauen. Kette richtig montieren. Beide Räder mit Pneus mit Spezial-Einlage neu bestücken. Bremsen kontrollieren, alles zusammen bauen und Probe fahren. Der Velo-Fachmann hat in der Regel nur erklärt, die Laien mussten selbst schrauben und schwarze Hände kriegen. So lernt man seinen Passpartout kennen.
Von Dienstag 29. September bis Donnerstag 1. Oktober war ich mit Patrik, Karin und Fritz unterwegs an den zweitgrössen Bergsee der Welt, den Isik Kul. Zur Umrundung des Sees sind wir ca. 400 KM gefahren. Die Anreise ab Bishkek bis zum Westende des Sees war nochmals 180 KM weit, die Rückreise natürlich ebenso. So haben sich da in diesen 3 Tagen 760 KM zusammengeläppert. Wie gereist? Natürlich in „Taxis“!
In der Schweiz unerschwinglich; in Kirgistan aber für unsere Verhältnisse billigst zu haben.
Die erste Teilstrecke von 180 KM von Bishkek nach Balykchy kostete im privaten Taxi in einem fast neuen Wagen 2700 Som = ca. 35 EURO oder 40 CHF. Mensch fuhr der Mann, wie wenn er etwas gestohlen hätte oder uns imponieren wollte. Dafür wurde er 3-mal von der Polizei aus dem Verkehr gezogen. Die Radarpistole zeigte natürlich eine viel zu hohe Geschwindigkeit an. Die Sache wurde jeweils mit einem Griff in den Geldbeutel und dem entsprechenden Handshake erledigt. So schnell werden Bussen beglichen oder eben „vermieden“.
Nach dem reichlich und mundenden Mittagessen in einem wirklich guten Restaurant mit einer Englisch sprechenden Angestellten ging es dann weiter. Und zwar authentisch, wie die Einheimischen, im Sammeltaxi. Ein 15-16-plätziger Kleinbus führte uns entlang der Nordroute zum 220 Km im Osten entfernten Karakol, und das für total 1000 Som für alle Vier. Fertig mit gut ausgebauter Strasse: es schüttelte und rüttelte, gab arge Stösse in den Rücken; den Fahrer kümmerte das nicht; auch nicht, dass das Fahrzeug sicherlich Schaden nehmen würde.
Noch eine Übernachtung suchen. Im Internet unterwegs hat Karin ein Guesthous namens Riverside gefunden. Ein örtliches Taxi führte uns hin.
Hier stiegen wir im Guesthous eines Holländers mit kirgisischer Frau ab. Der Holländer hat ein komplett neues Haus selber gebaut, sehr schön, mit westlichem Touch. Und dies als studierter Chemiker! Er vermietet nun ca. 12 Zimmer und wird davon leben können. Natürlich haben wir uns auf Deutsch unterhalten, auch mit seiner Frau und den 2 Buben! Er kochte uns zum späten Nachtessen noch eine Spaghetti Bolo mit Salat; war das gut!
Am Mittwoch 30. September besuchten wir am Morgen die Moschee, es soll die älteste sein in Zentralasien. Betreten hätten wir als Ungläubige nicht einmal das Gelände dürfen! Aber …..
Im Anschluss gab es auf dem Weg zur christlichen Kirche der Stadt noch einen Rundgang im Bazar. Auch da fanden wir wieder neue, uns unbekannte „Sachen“.
In der Kirche mit den 5 vergoldeten Zwiebelkuppeln fand gerade eine Heirat statt. Beeindruckt hat mich, wie sich die einheimischen Besucher schon beim Tor zum Gelände 3 Mal verneigen und das Kreuz schlagen; dann nochmals wenn Sie zum Kircheneingang kommen und wieder beim Verlassen der Kirche und des Geländes dasselbe Ritual.
Mittagessen gab es keines, weil gerade der Sammelbus auf der Südroute zur Abfahrt bereit war. Schnell war der Preis ausgehandelt.
Wie man das macht? Auf dem I-Phone den Translator Deutsch-Russisch als App geladen. Eintippen was man sucht oder haben will (in den Läden) und I-phon dem „Partner“ unter die Nase halten; da kommt dann das grosse Aha und Kopfnicken, dass man verstanden worden ist. Im Laden wird dann das Gesuchte schnell gefunden. Preise? Zahlen eintippen, beidseitig, bis man sich einig ist! So einfach geht das!
Ja dann ging das Gehopper wieder los. Bus voll, auch die Stehplätze im Gang gut besetzt. Auf der Strecke genügt ein Stopp, man steigt im Nirgendwo aus oder mit dem Zeichen für Mitfahren wird zum Einsteigen angehalten. Autostopp nennt sich das bei uns, aber kostenpflichtiger.
In Bököbaev musste umgestiegen werden. Der neue Fahrer sprach mit mir über die ehemaligen Führer der Nationen. Die Namen habe ich verstanden, alles andere nicht. Beide haben den Daumen entweder nach oben oder nach unten gerichtet; natürlich waren wir in den seltensten Fällen einig und lachten herzlich darüber. Hitler, Stalin, Lenin, Mussolini, de Gaulle, Thatcher, Obama, Adenauer, Merkel, Sakorsi, Mitterand usw. usw. waren seine Themen.
Gegen Abend erreichten wir wieder Balykchy, wo wir im wohl besten Hotel am Ort abgestiegen sind. Das Hotel war bereits am „Einwintern“. Die Preisverhandlung war harzig; ein Rundgang durch die in Frage kommenden Zimmer war hilfreich und schlussendlich ein Telefonat von der Abwartsfrau zu ihrem Boss brachte Klarheit.
2000 Som pro Person im Doppelzimmer mit integriertem Bad inkl. Frühstück das Resultat. Ca. CHF 28.00
Das Nachtessen in einer grossen Eventhalle war einfach und brachte mir eine unangenehme Unpässlichkeit ein. Eine die ganze Nacht anhaltende dynamische Darmtätigkeit. Immodium sei Dank: „er, der Darm“ hielt sich dann am kommenden Vormittag vornehm ruhig.
Nach dem spärlichen Frühstück gab es für 3 Mitreisenden im Restaurant des ersten Reisetages noch einen Cappucino; für mich natürlich nichts.
Auf dem Weg zur Busstation stiessen wir auf einen hinten gut beladenen Kombi mit 2 Fahrer. Ihr Touristen wollt doch bestimmt nach Bishkek! Steigt ein! Der Preis war schnell ausgemacht, da die Offerte auf 1000 Som lautete für alle Vier. Ja da sind wir zugestiegen, haben das Gepäck irgendwo zwischen den Beinen gebündelt und los ging die Fahrt. Beim Checkpoint wechselte natürlich wieder ein Nötli die Hand.
Der Fahrer, ein junger Kerl, fuhr nicht schneller als erlaubt, was sehr angenehm war und zu keinen „unnötigen“ Halts und Kosten führte. Unterwegs gabs einen erzwungenen Halt. Bei einer hohen Stützmauer kam vom Berg eine Geröll-Lawine herunter und überquerte beide Spuren der Autostrasse. Diese musste zuerst wieder geräumt werden. Ich staunte über die schweren Baumaschinen die vor Ort verwendet wurden. Woher kaamen diese so schnell? So erreichten wir nach ca. 3 1/2 Stunden Fahrt wieder Bishkek
Mit direkter Anlieferung zum Hotel und zur Strasse des Guesthouses. Ein guter Service, den ich mit einem extra Obolus verdankte.
Den 2. Oktober verbrachten wir mit Demontage von Passpartout und dessen verpacken in einen Velo-Karton. Mit einigen zusätzlichen Demontagen passte das „Ding“ schliesslich in den Karton, inkl. etwas zusätzlicher Ware, damit das normale Gepäck nicht über das maximale Gewicht gekommen ist. Eine Federzugwaage im Hof war hilfreich. Passfotos mussten auch gemacht werden; 16 Stück für ca. CHF 3.00 ! Die Papeterie im Hause gab noch alles Gesuchte her und etwas ganz spezielles. Wir suchten Kunststoff-Verpackungsmaterial mit Luftblasen. Niemand konnte uns sagen wo wir solches finden. Um uns zu verständigen, zeigten wir im Laden auf etwas grosses, das in eine solche Folie eingepackt war. Die Verkäuferin verstand und fragte ihren Boss. Wir wussten aber nicht, dass sie fragte, ob wir die Folie haben könnten. Der Boss war einverstanden und so staunten wir, als der grosse FlippChart eben aus dieser Folie ausgepackt wurde und wir diese kostenlos mitnehmen durften. Danke schön!!
Der 2. Oktober hatte aber auch eine Feier bereit. Patrik war genau vor 6 Monaten in Bern losgefahren und Karin mit Fritz wollten sich für Ihre Weiterreise verabschieden. So spendete Patrik den Sekt für sein Jubiläum und Karin und Fritz den Rotwein als Schlummertrunk.
Die versammelte anwesende Gemeinschaft hat so auf die „Reisenden“ angestossen.
Den letzten Tag, Samstag 3. Oktober, haben wir im „Camp“ verbracht. Im Laufe des Morgens sind Karin und Fritz Richtung Almaty in Kasachstan losgefahren. Am Vortag haben sie endlich einen passenden Flug nach Goa in Indien buchen können, zeitlich und monetär. Karin und Fritz viel Glück!!
Wir haben Passpartout reisebereit gemacht. Patrik machte Wäsche und ordnete seine „tausend“ Sachen und bestimmte was Vater nach Hause nehmen soll. Holger hat eine Schuhschachtel mit seinen Bergschuhen zu mir ins Hotel spediert, natürlich per Bike. Er ist anschliessend mit dem Velo und Zelt auf eine kleinere Rundfahrt durch Kirgistan gestartet um die Zeit bis zur Ankunft seiner Post totzuschlagen.
Den Abend verbrachten wir zu zweit in einem sehr guten Restaurant und verabschiedeten uns dann in meinem Hotel. Etwas Wehmut auf beiden Seiten war schon vorhanden; wer weiss wo und wann wir uns wiedersehen werden!
Am Sonntag, 4. Oktober, begann meine Rückreise bereits um 01.15 ab dem Hotel. Der Flug ab Bishkek startete etwas verspätet um 04.00. Die Zwischenlandung mit der ganzen Prozedur in Istanbul und dem etwas verspäteten Abflug in einer voll besetzten „Kiste“ verlief glatt. In Kloten hat mich dann Patrik’s Schwester Gaby um ca. 11.30 Uhr empfangen und nach Hause gebracht. Die Zeitverschiebung von 4 Stunden wurde auch "verdaut".
Der 2te "lange Tag" auf dieser Reise!
Eine ganz tolle Woche!
Vielen Dank Patrik und auf ein anderes Mal an einem anderen Ort! Quo vadis?
Herzlich Dein Pa.
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Kirtap (Donnerstag, 08 Oktober 2015 05:57)
Liebes Mami, lieber Papi, liebe Gaby
Danke, dass Ihr diese gemeinsame Woche möglich gemacht habt - danke für die Ersatzteillieferung und den Support beim "Mechen" und dem Verpacken von Passpartu - einmalig, auch in der Ferne so auf seine Familie zählen zu können!!!
Herzlich
Patrik Kirtap