Fr

17

Apr

2015

Bananen aus der Schweiz...

So, da bin ich schon wieder mit WiFi und kann Euch wieder beblogen...

Gestern bin ich ja in Zagreb eingerollt - die Stadt konnte mich so gar nicht für sich gewinnen. Da habe ich mir überlegt, weiterzureisen und beim Bahnhof gefragt, ob es eine Möglichkeit gibt, mit Velo und Zug. Hm - die gäbe es nur, wenn ich ein Singleschlafwagenabteil mieten würde, dann könnte ich das Velo mit in das Abteil nehmen, erklärte die Dame am Infoschalter in gutem Englisch. Auf meine Frage, was das denn koste erklärte sie, das werde gar nicht mehr angeboten. Mit anderen Worten: Mit der Bahn keine Möglichkeit!

OK, dann fahre ich halt mit dem Velo nach Belgrad - vier Tage und ich bin dort.

Auf meinem Rundgang durch die Stadt komme ich an einem Reisebüro vorbei, das Werbung für Busreisen macht. Ja warum denn nicht mit dem Bus nach Belgrad? Ich frage nach, ob das möglich sei. Die Dame meint ja, aber da müsse ich zum Busbahnhof. Zwei Tramstationen weiter. OK!

Am Busbahnhof werde ich mal von einem Schalter zum nächsten verwiesen. Der Bus nach Belgrad ist überhaupt kein Problem, da fahren ganz viele... Aber das Velo. Mir scheint, ich sei der erste Passagier, der ein Velo transportieren möchte. 

Schlussendlich lande ich in einer abgelegenen Ecke des weitläufigen Parkplatzes des Busbahnhofs im Containerbüro von Csaznatrans oder wie die sich schreiben. Der nette Herr im Büro erklärt in einem Gemisch aus Englisch und Deutsch, es sei eigentlich kein Problem, ein Velo im Bus zu transportieren. Der Chauffeur entscheide aber, ob er es mitnehme oder nicht. Ich solle am Samstag fahren (hatte ich so vorgesehen), da hätte es weniger Leute und ich somit die grössere Chance, dass mein Velo transportiert würde...

Es kommen weitere Personen ins Büro - einer davon offenbar ein Chauffeur, der Zagreb-Belgrad fährt. Der erklärt, ich soll unbedingt heute Freitag fahren, da habe es weniger Leute als am Wochenende. Hm - was nun? Der Bürolist erklärt dann ganz logisch:

Versuche es am Freitag - wenn es nicht klappt, hast am Samstag die zweite Möglichkeit. So pragmatische Bürolisten gefallen mir doch...

Wir vereinbaren, dass ich heute Morgen um 07.30 Uhr auf Perron 405 des Busbahnhofes warte und schaue, ob man mich und mein Velo mitnehmen will...

Zurück in die Stadt - beim 2-Wochen-Jubiläumsapero in einer hippen Bar - studiere ich für alle Fälle die Route auf der Karte, die ich später dann noch mit der Route anderer Radreisender und einem Internetplanungstool in der Lobby der Jugi abgleiche und definitiv in meine Karten übertrage. So bin ich perfekt gerüstet!

Ich entscheide mich, heute Morgen in Velomontur zum Busbahnhof zu fahren. Wenn der Bus mich mitnimmt OK - sonst radle ich gleich von dort aus los. So packe ich und gehe am Abend auch zeitig schlafen. Den engen 6er-Schlag in der sauberen Jugi in Zagreb habe ich für mich alleine >:-))

Da stehe ich heute Morgen also bereits nach 07.00 Uhr auf Perron 405 des Busbahnhofs in Zagreb und warte, bis der Bus kommt, der um 08.10 Uhr nach Belgrad abfahren soll.

Es gesellen sich immer mehr Leute zu mir. Ein Ehepaar setzt sich zu mir auf's Bänkli und er fragt mich in breitem und dennoch gebrochenen Bündnerdeutsch, wohin ich den wolle - er hat mich an meinen Veloplustaschen als Schweizer erkannt... Ich erkläre ihm mein Projekt, für welches er nur bedingt Verständnis hat, seine Ehefrau grad gar keines... Erkläre ihm auch, ich sei nervös, weil ich nicht wüsste, ob mein Velo mitgenommen würde. Er stellt sich als George vor. Ursprünglich aus dem Kosovo, seit 30 Jahren in der Schweiz in verschiedenen Berufen unterwegs - ausschliesslich schwere körperliche Arbeit, sein Körper ist entsprechend gezeichnet. Nun auf dem Weg nach Belgrad, Verwandte seiner Frau besuchen. Sie sind letzte Nacht mit dem Bus von Luzern nach Zagreb gereist. George meint, er würde dann schon mit dem Chauffeur sprechen, das könne doch kein Problem sein mit dem Velo...

Der Bus kommt, der Chauffeur steigt aus und sagt etwas zu mir, was ich nicht verstehe. George übersetzt und meint, der Chauffeur sei schon informiert, dass ich mit Velo nach Belgrad wolle. Gut so, denke ich. Der Chauffeur findet das aber nicht wirklich gut. Er redet auf mich ein - ich zucke mit den Schultern. Er zeigt mir den Tarif, wonach das Velo 28 Euro koste nach Belgrad. Ich stimme zu - nicke und sage überzeugt OK!

Dann übersetzt und erklärt George:

Der Chauffeur hat Bedenken, dass mein Velo im Gepäckraum zu viel Platz einnimmt und er dann unterwegs keine weiteren Passagiere mehr aufnehmen kann, weil es für deren Gepäck keinen Platz mehr gibt. Dann gingen ihm Fahrpreise verloren. Ich erkläre George, dass der Chauffeur 28 Euro für den Transport des Velos wolle, das sei doch auch eine Einnahme...

George verhandelt mit dem Chauffeur. Ruhig aber doch bestimmt. Ich verstehe kein Wort. Schlussendlich wird Passpartu vom Chauffeur eigenhändig in den Gepäckraum des Buses gelegt und ich schliesse daraus, dass alles klappt. Die Packtaschen polstern Passpartu so, dass er sich während der Fahrt nicht verschieben kann. Geht doch.

Busfahrt inkl. Transport von Passpartu kosten schlussendlich 50 Euro, die ich nicht habe, da in Kroatien ja Kuna die offizielle Währung ist. George meint, er schiesse mir die vor - ich finde noch 40 Euro in meiner Geldbörse und lege einen 10 Frankenschein dazu. Der Chauffeur begutachtet den 10 Frankenschein skeptisch - George erklärt, das sei CH-Geld und schwups wird es vom Chauffeur akzeptiert. 

Spannend am Tarif: Die Hinfahrt für mich alleine hätte gemäss Auskunft am Schalter gestern Abend umgerechnet 36 Franken gekostet. Für mein Velo habe ich also niemals die tariflichen 28 Euro bezahlt. George meinte: Nur nichts sagen und schlägt zu einem HighFive ein.

Ich "muss" mich zu George und seiner Frau setzen im Bus. Sie steckt mir sofort nach der Abfahrt Bananen zu und meint: "Aus der Schweiz!".

Auf der Fahrt nach Belgrad erzählt mir George noch aus seinem Leben, von seinen zwei erwachsenen Kindern und den beiden kleineren und wie schwer es sei, in der Schweiz einen Job zu finden. In seinem Alter mit seinen gesundheitlichen Problemen wolle ihn auf dem Bau niemand mehr... Ja, da haben wir schon auch ein spezielles System aufgebaut in der Vergangenheit in der Schweiz. Sozialhilfe will George nicht. Das sei für Männer ohne Arme und Beine. Er wolle arbeiten!! Das kaufe ich ihm sofort ab - da schwingt der Stolz eines Familienvaters mit!

Die Fahrt nach Belgrad dauert knappe sechs Stunden. Immer mal wieder verlässt der Bus die Autobahn, um zu einem lokalen Busbahnhof zu fahren. Ich hoffe jedes Mal, es wolle niemand mit viel Gepäck zusteigen. Es steigt bei all den angepeilten Busbahnhöfen genau eine Frau zu... Ich schlafe immer mal wieder ein. Habe aber genug Gelegenheit, die Landschaft anzuschauen: Mir scheint, zwischen Zagreb und Belgrad liege eine einzige grosse, weite Ebene in der Landwirtschaft betrieben wird. Hin und wieder etwas Industrie. Die Felder sehr gross. Manchmal sind auf einem Acker gleich mehrere Traktoren unterwegs.

Der Grenzübertritt erfolgt recht bürokratisch und autoritär. Der kroatische Zöllner prüft die Pässe im Bus, nimmt einige Pässe mit und kommt dann zurück. Der serbische Zöllner sammelt alle Pässe ein - es dauert (...) und dann verteilt der Chauffeur die Pässe wieder an die Passagiere. Während der beiden Passkontrollen wird es im Bus ganz ruhig.

Die Einfahrt nach Belgrad treibt mir die Schweissperlen auf die Stirn: Wie komme ich da jemals wieder raus?? Ich bleibe eh bis Sonntag. Ich gehe davon aus, dass am Sonntag weniger Verkehr ist und ich so den Weg aus Belgrad gut finde - immer in Richtung Sofia - Istanbul...

Seid herzlich gegrüsst - vom Vetoweltreisenden, der nebst Bahn nun auch Bus fährt. Aber ich bin innerhalb von sechs Stunden Busfahrt vier Tage näher an Istanbul gerückt. Und das ist gut so, beruhigt mich.

Übrigens 1: Belgrad ist nicht wirklich hübscher als Zagreb...

Übrigens 2: Ich wohne mal wieder in einem Hostel. Mit Couchsurfing und Warmshowers hatte ich noch keinen Erfolg...

Übrigens 3: In Serbien verstehe ich nicht nur das gesprochene Wort nicht - hier wird auch kyrillisch geschrieben, was die Sache nicht einfacher macht...

Patrik Kirtap

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Sa

18

Apr

2015

Belgrad - graue Maus...

Habe gut und lange geschlafen. Meine Morgendusche fiel ins Wasser. Die Baustelle einer Botschaft hier im Quartier hat das ganze Quartier trockengelegt. Kein Tropfen Wasser stand mehr zur Verfügung.

Ein Mitarbeiter des Hostels erkundigte sich auf der Baustelle, wann das Wasser denn wieder fliessen würde. Ab 11 Uhr für 45 Minuten hiess es - denkste! Katzenwäsche aus Mineralwasserflasche war angesagt und ich habe noch ein Pampersfeuchttüchli in meine Schönheit investiert, die ich für alle Fälle im Gepäck habe. So aufgebrezelt habe ich mich dann mal trotz Regenwetter in die Stadt aufgemacht.

Der Regen wurde stärker und ich habe entschieden, dass es sich kaum lohnt, Belgrad bei diesem Wetter zu erkunden. Belgrad wirkt wie eine graue Maus auf mich. Viele rechteckige Gebäude im alten Ost-Baustil. Da vermag auch der SuisseGas-Marathon kein echter Farbtupfer sein - die armen Läufer bei dieser Kälte und Nässe... Ich wusste gar nicht, dass wir Gas haben in der Schweiz...

So setze ich mich in eine nette Cafébar und mache, was ich daheim am Samstag auch meist getan habe: Ich geniesse Cappuccino. Hier leider nicht in der heimatlichen Begleitung...

Dazu schreibe ich Tagebuch und einen Brief. So sind im Nu zwei Stunden durch und draussen regnet es nicht mehr - es schüttet phasenweise.

Im Hostel erkundige ich mich mal, wie ich Morgen Belgrad am besten verlasse. Auf meiner grossen Karte ist das nicht zu erkennen, so mache ich mich nochmals auf in die Stadt und besorge einen Stadtplan und bringe meinen Brief zur Hauptpost, die hier übrigens 24/24 Stunden geöffnet ist.

Die Hauptpost ist ein wirklich beeindruckendes Gebäude - offenbar aus dem Jahr 1938. Aus Stein gebaut - für die Ewigkeit und einige Jahrtausende darüber hinaus. So steht sie da, wie eine Trutzburg.

Die Schalterhalle altehrwürdig. Es werden hier keinerlei Kioskartikel verkauft (die Post in Ljubljana erinnerte mich sehr an unsere CH-Post, die ja je länger je mehr einem Kiosk gleicht und quasi nur noch nebenbei Postdienstleistungen anbietet). Hier in Belgrad wirkt die Schalterhalle wie eine wirklich heilige Halle. Die wenigen Kunden flüstern nur miteinander und auch am Schalter wird ganz leise/diskret gesprochen.

Marken kriege ich im Postshop, ausserhalb der Schalterhalle. Den Brief muss ich dann aber am Schalter aufgeben. So haben alle etwas zu tun - auch der unbedarfte Tourist, der vom Schalter zum Shop und zurück zum Schalter spaziert...

Auf meinem Stadtplan zeigt mir die Managerin des Hostels, wich gut aus der 2-Millionen-Stadt Belgrad rausfahre. Eigentlich ganz einfach. Aus dem Hostel raus, 2x rechts und dann immer auf auf der rechten Spur dieses grossen Boulevards bleiben - der werde 3spurig - bis ich zur Stadt raus bin. OK - sollte ich schaffen...

Dann logge ich mich bei Skype ein, um meinen Eltern eine Videobotschaft zu senden und schon ruft mich mein Onkel an, der zufällig auch online ist - und so komme ich zu meiner allerersten Skypesession überhaupt. Mein Onkel ruft dann meine Eltern an um ihnen mitzuteilen, ich sei online - und so haben meine Eltern und ich nur wenig später unsere erste gemeinsame Skypsession. Coole Sache! ES WAR WUNDERBAR, EUCH ZU SEHEN!!

Nun packe ich meine sieben Sachen langsam zusammen, damit ich für morgen Früh dann gut gerüstet bin, Passpartu satteln und losfahren kann. Morgen soll das Wetter gemäss Internet besser sein - sogar sonnig. Für den Rest der Woche ist dann bewölkt bis sonnig angesagt. Ideal zum Velölen.

Mein Frühstück steht bereits im Kühlschrank der Gästeküche des Hostels. Ja und dann gehe ich noch ein kleines Abendessen essen und lege mich schon wieder schlafen - vorher aber nochmals den Versuch unternehmen, zu duschen - solange mir diese Infrastruktur noch zur verfügung steht...

Ja ab Morgen radle ich dann weiter Richtung Istanbul... Mal sehen, wie lange ich brauche, um dieses für mich so wichtige Etappenziel zu erreichen... Ab Belgrad möchte ich ja wirklich möglichst viel radeln - wobei die Bahnlinie in die gleiche Richtung führt, wie meine Route...

Häbeds guet! Weiss nicht, wann ich wieder online bin - je nach Verlauf meiner Weiterreise und Art der Unterkunft...
Patrik

 

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Mo

20

Apr

2015

Serbische Gastfreundschaft...!!

Gestern Sonntagmorgen habe in der Gemeinschaftsküche meines Hostels in Belgrad noch mein Joghurt gegessen und mir einen Tee dazu gekocht. Vorgestern Abend hatte es sogar Wasser im Badezimmer und ich konnte die "Dusche" noch nutzen...

Dann habe ich mich also auf den Weg gemacht, Belgrad in Richtung Sofia zu verlassen. Mein Weg führte mich am Café vorbei, in welchem ich am Samstag mein Tagebuch und den Brief geschrieben habe. Es hatte schon geöffnet und so "musste" ich halt noch einen Cappuccino-Halt einlegen. Der Wirt hat mich auch im Velodress sofort erkannt und gefragt: "Cappuccino?" - WOW, da habe ich mir ja ein Stück Heimat geschaffen...

Dann habe ich mich definitiv auf's Rad geschwungen und bin losgefahren. Wenig Verkehr, eine grössere Baustelle. Habe den Weg problemlos gefunden, dank der guten Beschreibung der Managerin des Hostels und dem Stadtplan von Belgrad. Habe mich 2-3x erkundigt, ob ich auf der richtigen Route sei, insbesondere nach grösseren Kreuzungen. Alles OK!
Kurz vor Avala habe ich eine Gruppe Velofahrer erstmals angetroffen. Diese waren mit Rennrädern und Mountainbikes unterwegs. Eine kurze Begrüssung - und sie fuhren ihr Tempo und ich meines. Wir haben uns im Verlauf des Tages dann immer wieder getroffen, wenn sie Pause machten oder aufeinander warteten oder wenn ich Pause machte. So fuhr ich fröhlich und zufrieden Richtung Mladenovac, Smed. Palanka. Der Wind kam mal wieder von vorne. Die Strasse war OK und der Verkehr wenig und sehr rücksichtsvoll. Zwei Rennradfahrer überholten mich - der eine winkte ganz aufgeregt und rief : "Cancellara!!" - er hat offensichtlich mein Schweizer Fähnchen bemerkt...

Ich staune, dass "dr Fäbu" auch in Serbien bekannt ist, lache, winke zurück und rufe "genou!". Witzig, solche kurzen Begegnungen!

Auffällig, dass in Serbien die Rennvelofahrer  ("Gümmeler", wie sie in der Schweiz genannt werden) auch Tourenfahrer grüssen. Das ist in der Schweiz nicht wirklich üblich. Gümmeler und Tourenfahrer sind zwei unterschiedliche Kategorien. Hier in Serbien freuen sich aber alle Velofahrer, andere Velofahrer zu kreuzen oder zu überholen - ein kurzes Winken ist garantiert!

Ich rollte gut voran. Ca. 15 Kilometer vor Velika Plana habe ich die Karte nochmals studiert und vor mir stand die Gruppe Velofahrer, die mich seit Ausgangs Belgrad "begleitet" hat. Einer aus dieser Gruppe dieser Velofahrer kam auf mich zu und sprach mich in perfektem Deutsch an. Er habe einige Jahre in Deutschland gelebt. Wohin ich denn wolle?

Zeige ihm auf der Karte meine Route und frage ihn, ob es in Velika Plana oder Umgebung einen Campingplatz geben würde. Er verneint. ABER: Sein Onkel habe am Fluss ausserhalb Velika Plana ein Häuschen, da könne ich problemlos campieren. Er ruft seinen Onkel gleich mal an, dieser bestätigt, dass ich dort campen dürfe. Kein Problem!! Scheint die logischte Sache der Welt zu sein!!

Der Velofahrer meint, er wohne in Velika Plana, er fahre gleich mit mir dahin. Kaum gemeinsam unterwegs fragt er mich, ob ich nicht noch zu ihm kommen und etwas essen möchte. Er könnte etwas bestellen. Ich bedanke mich für die Einladung und erkläre, dass ich das bestellte Essen dann aber bezahlen möchte. Er meint, das komme gar nicht in Frage! So fahren wir ca. 15 Kilometer nach Velika Plana. Er gibt Gas, weil er meint, er sei zu langsam für mich - ich trete in die Pedale, weil ich meine, ich sei zu langsam für ihn... So wird die Fahrt nach Velika Plana für mich doch recht anstrengend mit meinem Gepäck. 

Er ruft von unterwegs seine Frau an, dass er einen Gast zum Essen bringe.

Unterwegs plaudern wir - soweit es mir die Puste erlaubt - zusammen. Er stellt sich als Nikola vor. Je näher wir Velika Plana kommen, je mehr Leute grüsst er auf der Strasse bzw. wird er gegrüsst. Vielen erklärt er, ich sei ein Schweizer Fahrradtourist, der nach Singapur fahren wolle...

Dann erreichen wir sein schmuckes Haus mit gepflegtem Vorgarten. Seine Frau Jasmina begrüsst uns und seine 6jährige Tochter ist auch da. Auf der Terrasse gibts erst mal ein Bier (für mich nur ein Glas - mehr würde mir direkt zu Kopf steigen...). Beim Bier erkläre ich ihm, mit seinem Tempo habe er mich auf den letzten Kilometern nun aber echt gefordert, ja fast "gefoltert" - er lacht und meint, er hätte nicht zu langsam sein wollen für mich... Witzig...

Auf seinem 29-Zoll-Mountainbike hat er heute auch über 100 Km hingelegt und das mit einem Schnitt von ca. 27 km/h - man ist der fit, der Junge!!

Dann darf ich mich an den wunderbar gedeckten Tisch setzen:

Eintopf von weissen Bohnen, Paprikaeintopf mit Huhn und viel leckerem Gemüse, Salat, Brot, Käse, geschnittenes Fleisch, Radieschen aus dem Garten des Schwiegervaters - eine wirklich wunderbare, bunte und reiche Tafel. Alles schmeckt EXTREM LECKER!! VIELEN HERZLICHEN DANK!!

Im TV läuft das Tennis-Finale aus Monte Carlo. Novak Djokovic spielt. Da ist klar, dass Serbien TV schaut - richtig so! Ich helfe gerne mit. Roger Federer ist - was ich mitbekommen habe - ja bereits früh ausgeschieden. Das Finale wird dann leider wegen Regen unterbrochen.

Nach dem Essen tischt Jasmina noch Café und Gebäck auf. HERRLICH! TAUSEND DANK! WUNDERBAR, so liebevoll umsorgt zu werden - wo wir uns doch gar nicht kennen...

Nikola kontaktiert über Facebook eine Serbin, die aktuell in Indonesien reist und schreibt ihr von unserer Begegnung. Schon bin ich mit einer Reisenden mehr vernetzt. Sie meint, wenn ich mich spute, könnten wir uns in Indonesien noch treffen - ha, dahin habe ich schon noch einige Wochen, Monate...

Im Gespräch mit Nikola erfahre ich viel über Serbien und das Leben in diesem Land. Zum Beispiel, dass Supermarktketten aus Kroatien nach Serbien drängen und kroatische Agrarprodukte verkauften. Serbische Bauern hätten daher Mühe, ihre Produkte gut verkaufen zu können. Das sei schwierig! Der Monatslohn in Serbien liege so bei 200 bis 300 Euro im Monat. Da müsse man sich organisieren. Ja, das stelle ich mir nicht einfach vor!! Nikola und seine Frau machen auf mich aber durchaus den Eindruck, dass sie sich zu organisieren wissen. Mag ich ihnen von Herzen gönnen!!

Der Besuch bei Nikola daheim neigt sich dem Ende zu. Er bringt mich zum ca. 13 Kilometer entfernten Platz am Flus, der seinem Onkel gehört. Dort angekommen stelle ich mal mein Zelt unter dem Vordach auf und verwechsle doch gleich auch noch eine Zeltstange, muss umstecken - schlussendlich ist alles OK. Nikola ruft seinen Onkel an und sagt ihm, dass wir da sind, er solle doch auch noch vorbeikommen und Bier mitbringen. Wenig später fährt der Onkel vor, hat Bier dabei und Kuchen für mich. La Bamba, wie der Spitzname des Onkels lautet, spricht auch sehr gut Deutsch. Auch er hat einige Jahr in Deutschland gearbeitet. In einem Lokal, das La Bamba hiess - daher der Spitzname.

La Bamba meint, ich könne auch im Häuschen übernachten. Das wird ja immer komfortabler für mich! Er entfernt die Einbruchsicherung, öffnet mir das Häuschen, zeigt wo alles ist (insbesondere Wein- und Schnapslager) und mir wird klar, dass ich mein Zelt wieder einpacken und im Häuschen übernachten werde. 

Wir trinken noch einen Schlummerbecher, ich höre Geschichten aus dem Leben von La Bamba und Nikola. Gegen 20 Uhr verlassen sie mich. La Bamba sagt, ich solle am Morgen einfach das Häuschen mit dem Schlüssel schliessen und zeigt mir, wo ich den Schlüssel verstecken soll. Er komme dann am Morgen, um den Rest fertig zu machen (also Einbruchschutz wieder montieren). 

NUN FRAGE ICH EUCH LIEBE SCHWEIZERINNEN UND SCHWEIZER:

Wer von uns lädt einen serbischen Velofahrer von der Strasse weg zu sich zum Nachtessen ein und/oder überlässt ihm sein Weekendhäuschen/seine Fischerhütte am Fluss einfach so und bringt ihm noch Kuchen mit?? 

Das ist doch ganz einfach wunderbar gelebte Gastfreundschaft. TAUSEND DANK NIKOLA, JASMINA UND LA BAMBA!!

Das Häuschen wird übrigens von zwei Hunden bewacht. Die realisieren schnell, dass ich nun dazu gehöre und legen sich vor dem Haus hin, während ich mir drinnen mein Nachtlager einrichte. Zum Einschlafen habe ich etwas Mühe, liegt das Häuschen doch sehr abgelegen am Fluss - und die Hunde knurren und bellen immer wieder, so dass ich mich frage, ob da jemand ums Haus schleicht... Mir fällt das "Nepal Thesi" ein, die gesagt hat, sie hätte beim wilden campen jeweils Geräusche gehört, die es wohl gar nicht gegeben habe. "So geht es mir sicher jetzt auch", rede ich mir ein, stöpsle mir meine Musik in die Ohren und finde langsam den Schlaf...

Mein Schlafsack und meine Iosmatte bewähren sich. Die Nacht ist  merklich kühl - am Abend waren es noch 11 Grad - nun noch weniger... Das merke ich, als ich mal raus muss (im wahrsten Sinne des Wortes...). Die Hunde sind da, freuen sich, mich zu sehen - ich gehe wieder schlafen...

Um 08.00 Uhr klingelt der Wecker und ich pelle mich definitiv aus meinem Schlafsack. Draussen scheint die Sonne und an den sonnigen Stellen ist es auch merklich wärmer. Somit alles Gepäck raus an die Sonne, Morgenkatzenwäsche an der Sonne, Velokleider anziehen und packen. Zum Frühstück esse ich den leckeren Kuchen, den mir La Bamba gestern Abend mitgebracht hat. Die Hunde betteln - und bekommen auch je ein halbes Stückchen...

Das Häuschen liegt zwar am Fluss Morava - dem längsten/grössten Fluss Serbiens, der in Serbien entspringt, fliesst später in die Donau - im Fluss baden ist aber nicht angezeigt. Der Fluss ist voller Wirbel und vor dem Häuschen soll er 10 Meter tief sein. Baden sei hier viel zu gefährlich, hat La Bamba mir erklärt. So gibts eben trotz fliessend Wasser vor dem Haus nur ne Katzenwäsche...

Gegen 0900 Uhr fahre ich ab. In Velika Plana finde ich eine schöne Cafeteria, direkt an der Hauptstrasse, davon aber durch einen breiten und belebten Gehweg getrennt. Gönne mir - wie könnte es anders sein - Cappuccino, beobachte das Treiben auf dem Gehweg...

In der Cafeteria werde ich von anderen Gästen - ausschliesslich Männer - gefragt, woher-wohin. Ich erkläre es ihnen, so gut es sprachlich funktioniert. Aber Schweiz - Sofia - Istanbul - Singapur verstehen sie. Rufen Bravo - einer applaudiert. Nun, ich bin ja noch nicht in Sofia und noch nicht in Istanbul und schon gar noch nicht in Singapur. Aber auf dem Weg...

Ich rolle weiter Richtung Nis. Unterwegs gönne ich mir heute mal wieder ein "richtiges" Zimmer, nachdem ich die letzten Tage/Wochen meistens in Massenschlägen oder einfachen Unterkünften mit Etagenduschen gewohnt habe. So alle paar Tage ein eigenes Badezimmer, in welchem ich auch auch meine Wäsche "anständig" machen kann, leiste ich mir, solange mein Budget reicht und die Infrastruktur vorhanden ist. 

Für meine Velosocken habe ich nämlich - so gestern Abend bemerkt - langsam ein ärztliches Rezept gebraucht, weil die narkotisierend auf mich wirkten, so haben die gestunken!! Nach der Handwäsche sind die wohl nicht sauber - stinken dafür nicht mehr - riechen nur noch...

Ich bin nach wie vor gut unterwegs und freue mich an der serbischen Gastfreundschaft von gestern Abend. Ich freue mich aber auch an den vielen netten Menschen hier auf der Strasse in Serbien. In den Dörfern. Die Menschen winken. Autofahrer hupen, wenn sie mich überholt haben und winken. Viele Lastwagen hupen kurz, bevor sie zum Überholmanöver ansetzen - so weiss ich, dass sie mich nun überholen und weiche einem Schlagloch nicht nach links aus - klug! Wenn ich nach grossen Kreuzungen jemanden frage, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin, wird ausführlich erklärt - leider verstehe ich dann jeweils nur die Zeichensprache. Aber man nimmt sich Zeit und gibt sich Mühe, mich zu unterstützen - das finde ich einfach nur wunderbar!!

Heute vor dem Mittag habe ich mich z.B. am Strassenrand auf eine Bank gesetzt und habe in meiner Wasserflasche meine Vitamintabletten vergehen lassen, mit welchen ich das Wasser aromatisiere, damit ich möglichst viel trinke. Da kam eine Anwohnerin und hat gwundrig mit mir geplaudert - ich habe sie zwar nicht wirklich verstanden. Aber soviel schon: Woher-Wohin? Sie meinte schliesslich "Super" und deutete ich soll doch bei ihr im Haus trinken. Das habe ich dann schweren Herzens abgelehnt, weil ich wollte/"musste" doch weiter - das ist ein Dilemma...

Kurz und gut liebe Bolgleserinnen und Bologneser: Es geht mir gut, ich bin fröhlich unterwegs, Passpartu rollt gut und ich steuere weiterhin in Richtung Sofia - Istanbul und geniesse das landschaftlich schöne Serbien und die hilfsbereiten Menschen. Wunderbar!

Liebe Grüsse in die Welt hinaus!!
Herzlich

Patrik

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Di

21

Apr

2015

Nis...

Heute bin ich bis Nis geradelt. Übermorgen sollte ich spätestens Sofia erreichen. Die Strecke nach Nis war angenehm. Wenig spektakulär.

In Aleksinac hatte ich Mühe, den Weg zu finden. Fragte am Eingang der Stadt eine Fussgängerin, die mir in perfektem Englisch erklärte, sie kenne den Weg nach Nis - aber das zu erklären sei viel zu kompliziert. Ich soll mal ca. 1 - 2 Kilometer ins Zentrum fahren und dann nochmals fragen. OK - kann diese Auskunft nicht so richtig einordnen - aber Zentrum tönt immer gut.

Die von mir befahrene Strasse verliert sich in einem Quartier - super. Frage eine Fussgängerin, die mir den Weg aber nicht wirklich erklären kann. Da hält ein Fiat Doblo an. Der Fahrer lässt die Scheibe runter und scheint zu fragen, ob er helfen kann. Zeige ihm auf der Karte, dass ich nach Nis will. Er deutet mir, dass er auch dahin fahre und klopft auf den Beifahrersitz. Ich deute ihm mit kurbelnden Armbewegungen, dass ich selber fahren wolle. 

Da zeigt er mit dem Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand auf seine Augen und dann auf mich. Alles klar: Er will mir den Weg zeigen - ich fahre ihm also hinterher. Cool!

Nun, er fährt recht zügig durch die Quartierstrassen und vor allem über die Schlaglöcher - ich muss da mit Passpartu ganz schön hinterher hecheln und viel besser aufpassen als er. Die nächsten Ampeln sind rot - so hole ich ihn immer ein. Wir durchqueren die Stadt und ich wähne mich auf der Hauptstrasse nach Nis. Wunderbar. Er gibt Gas fährt zügig voran - ich winke zu Abschied. Einige hundert Meter weiter steht er mit Warnblinker quasi mitten auf einer Kreuzung - als Verkehrshindernis. Was jetzt? Ich halte bei ihm an und er erklärt mir, dass ich nun links abbiegen müsse. Geradeaus geht es auf die Autobahn und da dürfe ich nicht hin. Das deutet er mir ganz klar, indem er den ausgestreckten Zeigefinger hin und her bewegt. Nie im Leben hätte ich diese kleine Seitenstrasse als Zubringer zur Hauptstrasse nach Nis eingeschätzt. Mir wird jetzt auch klar, warum die Frau am Eingang des Städtchens  es als schwierig einschätzte, mir den Weg zu erklären...

Vielen Dank, lieber Lotse! Wir verabschieden uns mit einem "Daumenhändedruck" fast wie alte Freunde - er strahlt und freut sich, dass er mir helfen konnte - ich strahle und freue mich ebenfalls, dass er mir helfen konnte. So fahre ich fröhlich nach Nis. Also so fröhlich auch wieder nicht. Verdauungsprobleme plagen mich. An einer Tankstelle habe ich nach der Toilette gefragt, die mir nur widerwillig aufgesperrt wurde - als ich das "Örtchen" sah wusste ich auch warum - und ihr wollt das so genau gar nicht wissen!. Froh zu sein bedarf es wenig - und alles was ich mir wünschte war ja da. Man, war ich froh...

Bin zwischenzeitlich wieder dicht und wohlauf - mit weiteren Details verschone ich Euch...

Kurz vor Nis habe ich mich bei einem kleinen Laden mit einer Cola und Bananen gestärkt und gedichtet und kam mit den Einheimischen ins Gespräch, zu denen ich mich auf die Bank setzte. Einer sprach einige Worte Englisch und Deutsch - wollte mich zu sich einladen. Wir könnten da Bier und Brandy trinken. Danke, lieb gemeint, aber ich fahre nun mal durch bis Nis. Ich kann nicht so viel Alkohol trinken, wie mir hier angeboten wird, liebe Serben >:-))

In Nis finde ich ganz nahe der Fussgängerzone gutes Hostelbett. Sauber und recht günstig. Passpartu darf mit ins Zimmer - ich werde darauf verzichten, ihm die Hälfte des Zimmerpreises zu belasten. Er trägt mich so treu und zuverlässig - schon cool, so ein tolles Velo zu haben!!!

Sorgfältig gewähltes Nachtessen. Dann noch ne Skypesession mit meinen Intervisionskolleginnen und meinem Intervisionskollegen. War sehr schön, Euch zu sehen - danke!! Jedoch: Führungsfragen habe ich aktuell grad keine zu besprechen - das heisst, ich führe jetzt sehr eng mich selber. Wer mich kennt weiss, wie anspruchsvoll das ist... 

Und schon bald schlafen - oder noch etwas Online-TV? Bis Sofia sind es etwa 150 Kilometer - vielleicht schaffe ich das Morgen - oder nicht - oder doch?!??

Ich werde es sehen. Muss so oder so lernen, jeden Tag zu nehmen, wie er kommt...

Liebe Grüsse

Patrik

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Mi

22

Apr

2015

In Sorge um Kirtap...

Meine letzte Nacht war bedingt OK - im Wohnzimmer des Hostels wurde artig geraucht, gelacht und mir fremde Musik gehört, so dass ich den Schlaf erst spät gefunden habe  - obwohl ich mir meine Musik in die Ohren stöpselte. Der Rauch drang dann halt auch durch die Türe in mein Zimmer. Das gehört halt irgendwie auch mit dazu... Hatte heute Morgen Mühe, aus dem Bett zu kommen. Schliesslich war ich dann kurz vor 10 Uhr doch noch zum Checkout bereit... Somit war auch klar, dass ich es heute nicht bis Sofia schaffe. OK!

Habe an der Rezeption des Hostels - ein kleineres Büro habe ich noch nie gesehen :-)) - dann nach dem Weg in Richtung Pirot bzw. dem Grenzort Dimitrovgrad gefragt. Die Mitarbeiterin zeigte mit einem kleinen Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger, dass sie nur wenig Englisch spreche und kein Deutsch. OK - habe ihr die Karte gezeigt und erklärt, wohin ich will und dann den Stadtplan von Nis und dann war ihr klar, dass ich den besten Weg per Velo suche.

Sie erklärte, dass es nach Pirot keine Autobahn gibt (die ist auf meiner Karte auch als im Bau befindlich eingetragen). Und erklärt, dass es nur die auf meiner Karte in rot eingetragene Fernstrasse gibt, zeigt mit schlangenförmiger Armbewegung, dass es kurvig werde - aber kaum Steigung habe. OK - ich mag zwar solche Fernstrassen nicht aber hinter Pirot gibt es wieder eine gelbe Strasse, eine Nebenstrasse, wie ich sie die letzten Tage immer gefahren bin. Da muss ich nun halt durch...!

Ich bringe mein Gepäck runter und sattle Passpartu. Als ich das letzte Gepäckstück hole, ruft sie mich nochmals in die Reception. Sie hat ein Übersetzungsprogramm am PC offen und tippt serbisch, was ich dann englisch lesen kann. Sie schreibt mir, dass die Strasse nach Pirot gefährlich sei. Insbesondere mit dem Fahrrad. Ich müsse gut aufpassen, es habe viel LKW-Verkehr von und zur Grenze. Und da es noch keine Autobahn habe, würden die eben auf dieser Fernstrasse fahren.

Ich bedanke mich für diese Information und denke bzw. beschliesse: So wild kann das wohl nicht sein!!

Bevor ich mich aber auf ein solches Fernstrassen-Abenteuer einlasse, brauche ich Frühstück. Ich rolle zum zentralen Platz mit seinen Cafés und Bäckereien nahe des Hostels und bestelle mir da zuerst mal zwei Cappuccini und ein lecker gefülltes Brötchen. Die Mitarbeiterin der Bäckerei, welche die Cappuccini zubereitet, wirkt ungeübt im Umgang mit der Kolbenmaschine. Zum Schluss verblüfft sie mich aber massloss: Sie benetzt mit ihrer Zunge ihren Zeigefinger mit dem sie dann Kaffeepulver auftippt, welches  neben der Kaffeemühle liegt und dieses dann liebevoll über meine Kaffees dekorativ verstreut. Andere Länder - andere Sitten... Ich entferne dann die oberste Schicht Milchschaum, bevor ich die Kaffees trinke...

Passpartu steht schön parkiert an den Blumenkübeln, mit welchen der Sitzplatz des Cafés vom übrigen Platz abgetrennt ist. Er macht sich gut, mit seinen roten Taschen vor den in in schrillem Hellgrün angemalten Blumenkübeln...

Als ich nach dem Frühstück zu Passpartu gehe und losfahren will, spricht mich ein Mann auf bayrisch an und fragt, was ein Schweizer mit Fahrrad hier denn mache. Erkläre ihm, ich sei auf dem Weg nach Sofia.

Er meint, aber nicht etwa über die Fernstrasse nach Pirot? Ich antworte, genau das sei mein Plan! Er meint, komm lass uns einen Café trinken, ich muss Dir zur Strecke was sagen. Ich zögere - er insistiert - ich lenke eher widerwillig ein, denke, dass es auf diese 20 Minuten auch nicht mehr ankommt und willige halt zögerlich ein.

Wir gehen ein Café weiter, wo es lecker türkischen Café gibt. Er erklärt mir, er sei Fernfahrer und erzählt mir auch, warum er hier in Nis grad blockiert ist. Er stammt aus "Ex-Yugoslavien" und freut sich, mal wieder richtig Deutsch sprechen zu können. Er lebt seit einigen Jahren in Deutschland, kennt Bern und Thun sehr gut, aber auch Genf. In Thun hat er eine Freundin und er beschreibt mir sehr genau, wo diese in der Thuner Innenstadt wohnt. Aus seiner Beschreibung erkenne ich, dass er Thun wirklich gut kennen muss.

Dann äussert er wiederholt seine Bedenken, die von mir geplante Strecke mit dem Fahrrad zu fahren. Es sei eine sehr kurvenreiche, enge Strecke mit sehr viel LKW-Verkehr und Baustellen und unbeleuchteten Tunnels. Unübersichtlich. Daher für Fahrräder absolut ungeeignet und gefährlich. Er rät mir dringend davon ab, mit dem Fahrrad zu fahren. Besser soll ich den Zug oder den Bus nehmen und zwar grad bis nach Dimitrovgrad. Hm - ich will doch nicht schon wieder Bus oder Zug fahren...!

Er scheint die Gegend aber so gut zu kennen, dass ich ihm einfach glauben muss und es deckt sich ja auch mit der Information aus dem Hostel. Tja, was nun?'

Ich frage ihn, ob er den Fahrplan kenne und ob ich im Bus überhaupt das Fahrrad mitnehmen könne. Er kennt den Fahrplan nicht und weiss auch nicht, ob der Bus Fahrräder transportiert. Meint aber, in der Reiseagentur gleich über der Strasse könnten wir ja nachfragen. Das tun wir auch, nachdem ich noch ein lokales Fruchtgetränk trinken "musste", das mir sehr gut schmeckte - ich mir aber den Namen nicht merken konnte...

In der Reiseagentur steht ein Kunde am Schalter. Mein Begleiter fragt in das zwischen diesem Kunden und der Angestellten laufende Gespräch, ob man hier Busticktes kaufen könne und das Fahrrad mit in den Bus nehmen könne. Die Angestellte erklärt, dass sie Bustickets verkaufe , der nächste Bus in einer Stunde fahre, sie betr. Fahrrad aber keine Aussage machen könne. Der andere Kunde mischt sich ein, zückt sein Handy und ruft jemanden an - hängt ein und erklärt, er bekomme in ein, zwei Minuten einen Rückruf. Es komme darauf an, was für ein Bustyp um 12.30 Uhr fahre. Kurz darauf erfolgt der Rückruf, eine kurze Diskussion und die Antwort lautet: Alles klar!! Der Fahrer der um 12.30 nach Dimitrovgrad fährt ist informiert, dass ein Schweizer mit Fahrrad mitfahren wird. Ich staune BAUKLÖTZE!

Ich an der Stelle des anderen Kunden hätte mich sehr genervt, wenn da einfach zwei kommen und sich in das von mir geführte Gespräch einmischen - doch er hat sein Handy gezückt und organisiert. Wo gibt's den sowas??

Das Busticket ist schnell gekauft. Für meinen Begleiter braucht es noch ein Ticket, damit er mich auf das Gelände des Busbahnhofes begleiten darf.

Dann machen wir uns zu Fuss auf den Weg zum Busbahnhof, durch den Markt am Fort entlang.

Ich erfahre, dass mein Begleiter Aki heisst. Wir sprechen über sein und mein Leben, mein Reiseprojekt, etwas Politik, die Schweiz, Europa/EU und überhaupt...

Aki bewacht Passpartu, während ich noch schnell zur Toilette springe. Und schon steht mein Bus auf Perron 11. Der Chauffeur ist tatsächlich informiert und es gibt überhaupt gar keine Probleme, Passpartu in den Frachtraum zu verladen und mit den Velotaschen zu polstern.

Aki meint, ich soll dem Chauffeur für Gepäck inkl. Trinkgeld 500 Dinar bezahlen. Das Gepäck bezahlt man zusätzlich zum Fahrpreise, das habe ich breits auf meiner Tour von Zagreb nach Belgrad gelernt. Der Chauffeur interveniert und diskutiert mit Aki. Aki meint, ob ich noch 200 Dinar hätte. Ich interpretiere, der Chauffeur wolle 700 Dinar für Gepäck und Velo, was mich doch sehr viel dünken würde, wäre es doch fast so teuer wie die Fahrkarte. Aber NEIN! Der Chauffeur meint, 500 Dinar wäre zu viel. 200 Dinar wären angemessen. WOW! Andere hätten die 500 Dinar einfach eingesteckt...

Ich bedanke mich herzlich bei Aki, eine kurze Umarmung zum Abschied und los geht die Fahrt in Richtung Dimitrovgrad.

Die Fahrt dauert gute 3 Stunden und führt tatsächlich über eine enge, kurvenreiche Strecke, die von Baustellen (Autobahn-Zubringer etc.) und vielen kurzen aber zum Teil auch mehrere hundert Meter lange Tunnels gesäumt wird - allesamt unbeleuchtet. Die Strasse ist eng, führt durch eine Schlucht und es hat tatsächlich sehr viele LKWs unterwegs, die zum Teil unglaublich eng aufeinander fahren (Windschatten ausnutzen??). Die Dame im Hostel heute Morgen und Aki haben mich wohl gut beraten. OK - die Strecke wäre durchaus fahrbar gewesen, Passpartu hat eine sehr gute und funktionierende Lichtanlage, man hätte mich nicht übersehen können - die Strecke wäre aber einer der anspruchsvollsten Abschnitte bisher gewesen. Ich weiss, dass auf mich wohl noch anspruchsvollere Abschnitte warten werden. Wie auch immer.

Das Tal weitet sich einige Kilometer später zu einer breiten Ebene, in welcher Landwirtschaft betrieben wird. Im Hintergrund schneebedeckte Berge. Landschaftlich reizvoll. Die Äcker werden zum Teil von alten Menschen von Hand bestellt oder mit auf mich bescheiden wirkenden Maschinen bearbeitet. Die Gegend wirkt ärmlicher auf mich, als die Gegend vor Nis. Aber dennoch gepflegt.

In Dimitrovgrad hilft mir der Chauffeur, Passpartu und mein Gepäck auszuladen und verabschiedet sich mit einem kräftigen Händedruck, während er mir die linke Hand väterlich auf meine Schulter legt, persönlich von mir. So herzlich, richtig väterlich - wundervoll! Komme mir fast vor wie Bambi - dabei bin ich doch schon bald 50. Ob ich einen so verzweifelten Eindruck mache? NEIN - es ist ganz einfach serbische Gastfreundschaft!! Den Menschen ist es wichtig, dass es mir gut geht!!

Ich überlege mir, ob ich gleich die 62 Kilometer ab der Grenze nach Sofia unter die Räder nehmen soll - oder ob ich in Dimitrovgrad übernachten, einen mir wichtigen Brief und mein Tagebuch schreiben soll. Ich entscheide mich, morgen Früh loszufahren. Dann bin ich gegen Mittag/am frühen Nachmittag in Sofia. Das ist gut so.

Eine kostengünstige Unterkunft ist schnell gefunden. WiFi gibt es hier in jeder Cafeteria. Der Ort macht einen gepflegten Eindruck auf mich. Ich staune, dass es so viele Spielsalons gibt. Ob diese auch für Grenzgänger aus Bulgarien da sind? Die Spielsalons sind mir in ganz Serbien schon aufgefallen. Diese sind übrigens von aussen zwar gross angeschrieben - man kann aber keinen Blick nach Innen erhaschen. Alles blickdicht mit Werbung verklebt...! Diskretion!

Ich beschaffe mir Briefpapier und Briefumschlag - nicht in der gewünschten Qualität. Aber es ist halt vorhanden, was vorhanden ist. Froh zu sein bedarf es wenig...

Schreibe meinen Brief bei einem Cappuccino aus dem Beutel auf der Sonnenterrasse einer Cafeteria und bringe den Brief dann zur Post. Die Dame am Schalter beharrt darauf, dass ich einen Absender auf der Rückseite des Couverts anbringe. Hm - was nützt es, wenn ich für einen in die Schweiz adressierten Brief einen Absender in der Schweiz angebe? Ich habe hier ja keine Adresse...! Ordnung muss aber zwingend sein, ich notiere meine nicht mehr existente Adresse in Bern - ohne Wehmut Darüber bin ich grad so erstaunt wie froh. Dann fragt sie mich etwas, was ich wirklich nicht verstehe. Erst als sie ein Flugzeug mimt checke ich, dass ich zwischen Luft- und Landweg entscheiden soll. Da sie das Flugzeug so gut mimt, entscheide ich mich für Luftpost - witzig, diese Vielfalt der Zeichensprache >:-))!

Tja, heute wurde ich also fürsorglich umsorgt von Menschen, die sich um mich sorgten. Menschen, die ich noch nie gesehen habe und wohl in meinem ganzen Leben auch nie mehr sehen werde. Das ist wieder einmal mehr serbische Gastfreundschaft. OK Aki hatte Zeit, sich zu kümmern - und hat es auch genossen, mit jemandem mal wieder in gutem Deutsch plaudern zu können. Aber selbstverständlich ist das alles trotzdem nicht.

Und die Fügung, dass Aki und ich genau dann in der Reiseagentur stehen, wenn auch der andere Kunde da ist, der jemanden beim Busunternehmen kennt - unglaublich! TRÄUME ICH?? NEIN - es ist bisher meine Reiserealität!! Und ich hoffe natürlich, dass mich meine Schutzengel weiterhin so gut und treu begleiten und mich weiterhin auf so unglaubliche Fügungen treffen lassen... Vielen Dank, liebe Menschen hier in Serbien - und vielen Dank, liebe Schutzengel.

So unterwegs zu sein ist einfach nur wunderbar, erfüllt mich mit grosser Freude, Leichtigkeit und Lebendigkeit - nicht aber mit Übermut!!

Morgen bin ich drei Wochen unterwegs und sollte in Sofja eintreffen, wo es dann mal wieder ein Donnerstags-Apéro gibt :-))

Liebe und fröhliche Grüsse in die Welt hinaus - ich wünsche mir, dass es Euch auch so gut ergeht wie mir!!

Herzlich

Patrik Kirtap

 

 

 

 

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